KUNSTgedankenDie TRÈS RICHES HEURES des Duc de Berry

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Die TRÈS RICHES HEURES des Duc de Berry

 

Auf einem der berühmten Blätter haben sie ihren vornehmen Auftraggeber porträtiert: mit prachtvollem blauen Mantel, üppiger Goldkette um den Hals und mit einer imposanten Pelzmütze auf dem Kopf: Johann von Valois, der Duc de Berry.

Der Herr gehört der höchsten Führungsschicht im Frankreich des frühen 15. Jahrhunderts an. Ein Bruder von ihm ist der französische König Karl V. – ein weiterer ist Herzog Philipp II. von Burgund.

Auch die Künstler sind drei Brüder: Paul, Johan und Herman von Limburg. Sie sind begnadete Spezialisten der Miniaturmalerei und sie schaffen für den Herzog von Berry ein herausragendes Meisterwerk der Buchkunst im ausgehenden Mittelalter: die TRÈS RICHES HEURES des Duc de Berry

Mit wunderbarer Detailliebe, die die Kunst eines Jan van Eyck und Rogier van der Weyden vorbereitet, illustrierten die Brüder von Limburg zahlreiche Seiten eines insgesamt 208 Blätter umfassenden Stundenbuchs.

Stundenbücher oder auch Horarien waren private Andachtsbücher für Laien – Lievre d'heures ist der französische Begriff. Wahrhaftig SEHR REICH müssen sie gewesen sein, die Stunden unseres Herzogs und unschwer ist zu erkennen, dass es bei solchen Prachtausgaben nicht nur um eine Anleitung zur täglichen frommen Übung ging. Einige dieser Stundenbüchlein gehören zu den prachtvollsten illustrierten Handschriften aller Zeiten und waren hoch geschätzte Luxusgüter ersten Ranges.
Das bedeutendste Exemplar der Gattung überhaupt aber ist jenes, das die Gebrüder Limburg zwischen 1410 und 1416 illustriert haben. Schon im 15. Jahrhundert galt es unter Kennern als DIE bibliophile Kostbarkeit schlechthin.

Die berühmtesten Illustrationen des herrlichen Büchleins (das im Musée de Condé im Schloss Chantilly für Normalsterbliche leider nur als Faksimile zu sehen ist) sind die 12 seitenfüllenden Kalenderblätter, die Szenen des Alltagslebens unterschiedlichster Gesellschaftsschichten zeigen. Da sehen wir üppige Festbankette, zur Falkenjagd ausreitende Adelige mit ihren vornehmen Damen (die sich kein bisschen an den nackt badenden Bauernburschen zu stören scheinen).
Korn wird geschnitten, Schafe werden geschoren, frierende Menschen wärmen sich im Winter am Kaminfeuer, elegante Herren mit absurden Hüten auf dem Kopf umwerben galant schöne junge Damen. Man bekommt Einblicke in die Weinlese und die Heuernte und viele Tätigkeiten mehr, die das Leben der Menschen im Frankreich des frühen 15. Jahrhundert geprägt haben.

 

Ein traumhaft schönes Bilderbuch!


In meinem letzten Vortrag (LICHT V) habe ich einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Landschaftsmalerei gegeben und diesen mit einer "Geburt Christi" des flandrischen Malers Robert Campin begonnen. Das Bild ist im Musée des Beaux Arts in Dijon zu finden und stammt ca. aus dem Jahr 1420. Hier steht das klassische christliche Thema im Vordergrund. Aber die Detailfülle und vor allem der liebevoll gezeichnete Landschaftshintergrund zeigen ein ganz neuartiges Interesse an der Welt der diesseitigen Dinge.
Solche Bilder speisen sich unmittelbar aus dem Vorbild der noch älteren Miniaturmalereien wie jenen der Gebrüder von Limburg, deren Monatsbilder natürlich ebenfalls in meiner Zusammenfassung hätten besprochen werden sollen.

 

Zum Vergrößern auf das Bild klicken


In der Galerie unten findet ihr die 12 einzelnen Blätter der Reihe nach von Januar bis Dezember zum An- und Durchklicken. Viel Vergnügen bei der erbaulichen Reise in die Welt des ausgehenden Mittelalters!

Übrigens: Wer aufmerksam schaut, der erkennt, dass nicht alle Blätter zu Ende ausgeführt sind. Bei etlichen der Lünetten (der halbkreisförmigen Abschlüsse mit den Sternbildern) fehlt die Beschriftung. Das große Meisterwerk ist unvollendet geblieben. Im Jahr 1416 starben sowohl die Künstler als auch der Auftraggeber (wahrscheinlich) an den Folgen der Pest.