KUNSTgedankenMaison La Roche

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Maison La Roche

Ein Auto ist eine Maschine zum Fahren

Ein Flugzeug ist eine Maschine zum Fliegen

Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen

Le Corbusier

In Paris gibt es so eine unüberschaubare Menge hervorragender Museen und Ausstellungshallen, dass man entweder sehr viel Zeit mitbringen oder aber schon oft die Seinemetropole besucht haben muss, bis man sich auch auf den Weg zu den etwas abseits gelegenen und nicht ganz so berühmten Kunstorten macht.
Dabei gibt es unter diesen einige sehr spannend Entdeckungen zu machen, die außerdem in den meisten anderen Städten der Welt ohne Frage zum Pflichtprogramm eines gewissenhaften Kulturtouristen zählen würden.
Für die Kenner oder Liebhaber moderner Architektur ist die "Maison La Roche" des Architekten Le Corbusier ein solcher Ort, den es auf jeden Fall aufzusuchen lohnt.
Gemeinsam mit der angrenzenden "Maison Jeanneret" bildet die modernistische Villa für den aus der Schweiz stammenden Bankier und Kunstsammler Raoul La Roche eine schöne architektonische Einheit (die man auch mit einem Kombi-Ticket gemeinsam besuchen kann).

1923 ist das Frühwerk des 1887 im schweizerischen La Chaux-de-Fonds geborenen Architekten fertiggestellt worden und damit genau ein Jahr bevor Gerrit Rietveld in Utrecht das Rietveld-Schröder-Haus gebaut hat, das ich vor einiger Zeit ebenfalls in einem Artikel besprochen habe.
Vor allem um diesen spannenden Vergleich zu ermöglichen, ein weiteres Schlüsselwerk der Architektur der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts vorstellen zu können und zugleich als kontrastierende Gegenüberstellung zu der so gänzlich konträren Architekturauffassung, wie sie sich in den Bauten eines "Dekonstruktivisten" wie Frank O Gehry ausdrückt, noch einmal deutlich werden zu lassen, habe ich erneut dieses Architekturdenkmal aufgesucht. Das letzte Mal hatte ich es in den späten 90er Jahren gesehen, kurz nachdem das Gebäude in den Besitz der Fondation Le Corbusier überging und 1996 als Museum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Mit bürgerlichem Namen hieß er eigentlich Charles-Éduard Jeanneret-Gris. Das Pseudonym "Le Corbusier", das zu dem Künstlernamen werden sollte, unter dem er als einer der ganz großen prägenden Figuren in die Architektur-
geschichte des 20. Jahrhunderts eingehen sollte, verwendete er erstmals, als er 1920 in der Zeitschrift L'Esprit Nouveau, die er zusammen mit dem Maler Amadée Ozenfant herausgab, seine Ansichten zu einer zeitgemäßen Architektur niederschrieb.

Diese Aufsätze erregten überraschend große Aufmerksamkeit in Fachkreisen und legten den Grundstein zu seinem Ruf als ein führender Architekturtheoretiker der Moderne.
Sehr bald danach intensivierte er auch wieder seine praktische Tätigkeit als Architekt und gründete 1922 zusammen mit seinem Vetter Pierre Jeanneret ein Architekturbüro in Paris. Noch im selben Jahr erhielten sie dann den Auftrag für die La-Roche-Villa.

In den zurückliegenden Jahren hatte sich der vielseitige Künstler weniger mit Architektur, um so intensiver aber mit Bildhauerei und vor allem mit der Malerei beschäftigt. Zusammen Amadée Ozenfant, hatte er 1918 zusammen bereits das Manifest Après le Cubisme verfasst, mit dem die Beiden den Anspruch verbanden, eine neue Avantgarde-Kunstrichtung begründet zu haben, die sie PURISMUS nannten:
Die Forderung nach klaren geometrische Formen, einer streng rationalen Bildkomposition und reduzierter Farbwahl, die Beschränkung auf einfache Alltagsgegenstände als Bildmotive und besonders die strikte Ablehnung jeglicher rein dekorativer Bildelemente waren das Programm, dem sich die Gruppenmitglieder verpflichteten.

Es ist die Zeit, als neue künstlerische Ideen von konservativen Geistern empört abgelehnt wurden, während die "Avantgardisten" und ihre Anhänger sie als unbedingte Wahrheiten verkündeten, an die es mit geradezu religiösem Eifer zu glauben galt und die in flammenden Manifesten voll Pathos verkündet wurden.

Foto: Joop van Bilsen - gemeinfrei

Stolz dagegen kann man sein, wenn man ein Haus besitzt, das so praktisch ist, wie eine Schreibmaschine

Le Corbusier

Ein strenger Purist war auch der Auftraggeber Raoul La Roche.
Ganz so kühl und pur wie man ihn heute erlebt, sah der berühmte Hauptraum mit der geschwungenen Rampe, die zu den Leseräumen des Bankiers führte und den langen Fensterbändern am oberen Abschluss der beiden Längsseiten allerdings nicht aus, als der Eigentümer das Haus noch selbst bewohnte.
Dieser ungewöhnliche Raum war das Herzstück der Stadtvilla und beherbergte die umfangreiche Gemäldesammlung Raul La Roches. Alte Fotos zeigen die Wände von unten bis oben mit Bildern behangen und dazu sind auch zahlreiche Skulpturen zu sehen. Es ist bedauerlich, dass die Kunstwerke nicht Teil der Museumspräsentation geworden sind. Auch wenn von der übrigen Ausstattung des Hauses mehr erhalten wäre, wäre das eine sehr wünschenswerte Ergänzung. (In dieser Hinsicht bietet das Rietveld-Schröder-Haus das bei weitem sinnlichere Erlebnis)

Auch in seinem Kunstgeschmack war der Besitzer übrigens äußerst rigoros: Ausschließlich Werke des Kubismus und des Purismus, wie ihn Ozenfant und Le Corbusier (als Maler signierte er unter seinem bürgerlichen Namen Jeanneret) oder auch Fernand Leger und Juan Gris vertaten, fanden Zugang in die Sammlung.


Wenn man sich mit Leben und Werk Le Corbusiers beschäftigt, kommt man nicht umhin, sich auch mit der hoch problematischen Seite seiner Welt- und Kunstauffassung auseinanderzusetzen.

Auf dem neben stehenden Bild sieht man den so genannten Plan Voisin, den Le Corbusier im Rahmen der Internationalen Kunstgewerbe-ausstellung Exposition Internationale des Arts Décoratifs 1925 in Paris vorgestellt hat.
Er zeigt seine Ideen von einer zeitgemäßen modernen Stadt anhand eines Vorschlags für eine zeitgemäße „Umgestaltung“ des Stadtzentrums von Paris.

Vorgesehen war dabei, dass große Teile der historischen Bausubstanz (mit der Ausnahme weniger Baudenkmäler) abgerissen würden und durch gewaltige Baukomplexe aus Stahlbeton ersetzt werden sollten.
Den meisten von uns packt bei solch einer Vorstellung blankes Entsetzen und wir hoffen vielleicht, dass es sich lediglich um eine Provokation oder ein bloßes Gedankenspiel eines kühnen Modernisten handelt. Wir müssen aber wohl davon ausgehen, dass Le Corbusier nicht lange gezögert hätte, wenn ihn eine durchsetzungskräftige Regierung mit der Ausführung seiner Pläne beauftragt hätte.
Völlig utopisch (oder besser: dystopisch!) ist diese Vorstellung tatsächlich nicht.
Führende Köpfe des auch im Frankreich der 20er und 30er Jahre erstarkenden Faschismus begeisterten sich für die Rigorosität des radikalen Architekturtheoretikers und sahen in seinen Ideen „die tiefsten Gedanken des Faschismus umgesetzt“. Auch an der Faszination die der faschistische Totalitarismus seinerseits auf Le Corbusier ausgeübt hat, besteht heute kein Zweifel mehr – er ist in zahlreichen Essays, Biografien und Aufsätzen beschreiben worden.

Weiß man von dieser "dunklen Seite" Le Corbusiers, ist man vielleicht geneigt, Anzeichen davon auch in einem Gebäude der La-Roche-Villa zu suchen. Aber hier ist nichts grob, monumentalistisch oder gar faschistoid. Im Gegenteil: Man ist geradezu erstaunt, wie schlicht und bescheiden dieses Haus wirkt, das für einen Mann gebaut wurde, der sich ohne Probleme ein pompöses Palais hätte leisten können.
Die "Maison La Roche" gefällt sich dagegen in demonstrativem Understatement. Raul La Roche gehörte offenbar zu jener Sorte Geldadel, die sich nicht durch äußerlichen Protz sondern durch ihren erlesenen avantgardistischen Geschmack definieren.
So sind die eigentlichen Wohnräume oder auch das Arbeits- und Besprechungszimmer von überraschend bescheidenen Dimensionen. Reichlich Raum war nur für die bereits beschrieben Gemäldegalerie und für das "kubistische" Treppenhaus reserviert. Von diesem aus sollte der Besucher sich die Architektur durchwandernd erschießen. Le Corbusier hat sich dabei eine raffinierte Abfolge ausgedacht, die trotz aller äußerlichen Unterschiede durchaus ein wenig an die Inszenierung von Raumabfolgen im Barock erinnert.
Unten habe ich ein Video eingebunden, die diese Seite der architektonischen Idee ausführlich beschreibt.

Modell der Maison La Roche im Gemeentemuseum Den Haag

Foto: Saliko / CC BY-SA 3.0 (via WikiCommons)

das Treppenhaus der Maison La Roche
das Arbeitszimmer


Man muss sich etwas Zeit nehmen, wenn man die "Maison La Roche" besichtigen will, denn sie liegt etwas abseits im 16. Arrondissement zwischen Seine und Bois de Boulogne. Als ich zuletzt in Paris war, habe ich den Besuch mit einem Wiedersehen der berühmten Impressionisten-Gemälde im "Musée Marmottan" verbunden. (Monets berühmtes Bild "Impression, Soleil levante", von dem sich der Name "Impressionismus" ableitet, ist dort ausgestellt).
Die Kombination bietet sich an, denn beide Kunstorte liegen nur ca. 15 Fußminuten voneinander entfernt.
Unten füge ich eine Karte an. Man kann mit der Metro (Linie M9) bis zur Station "La Muette" fahren und zunächst das "Marmottan" besichtigen. Nach dem Besuch der "Maison La Roche" bietet sich eine Rückfahrt in die Innenstadt ab "Jasmin" an.

Man findet das Gebäude unter der Adresse: 8 – 10, square du Docteur Blanche, 75016 Paris, Frankreich
(Aber Achtung: der Eingang ist sehr unscheinbar und die Gebäude liegen in einem Hinterhof. Ich bin mehrmals daran vorbei gelaufen und selbst ein Mann der aus einem Hauseingang kam und offensichtlich nur 70 Meter entfernt wohnte, wusste nicht, wonach ich ihn da frage. Also nicht entmutigen lassen!)

Wer ein vertieftes Interesse am Werk des Architekten Le Corbusier hat und mit dem Auto unterwegs ist, der sollte sich auch noch auf den Weg machen ins etwa 30 Minuten Seine-abwärts gelegene Örtchen Poissy. Dort befindet sich mit der "Villa Savoye" eines der bekanntesten Wohnhaus-Gebäude überhaupt. Zwischen 1928 und 1931 hat Le Corbusier es zusammen mit seinem Cousin Jean Jeanneret entworfen und erbaut.

Foto:  LStrike / CC BY-SA 3.0 (via WikiCommons)