KUNSTgedankenBilderrätsel_73_Auflösung

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Was für ein eigenartiges abstraktes Muster – die Linien seltsam verschoben, als hätte jemand das Bild zerschnitten und unachtsam mit Versatz wieder zusammengefügt...
und dann links im Bildausschnitt – da landen wir abrupt bei einer gänzlich anderen Bildsprache (davon zeige ich nicht zu viel, denn sonst wäre das Bild allzu leicht zu erkennen.)
Wer vor dem (vollständigen) Bild steht, bemerkt meist gar nicht, welch kühn experimentellen Brüche hier zu entdecken sind – es scheint auf den ersten Blick sehr gefällig und konventionell. Dabei sind hier doch schon im Jahr 1906 Stilmittel vorweggenommen, die man erst mit dem ein Jahr später einsetzenden Kubismus erwarten würde...

 

Gustav Klimt "Bildnis der Fritza Riedler" (1906) Österreichische Galerie Belvedere, Wien

Der Maler Gustav Klimt gehört zu den Künstlern, die ich lange pauschal unter Kitschverdacht gestellt und damit abgetan hatte. Das lag vermutlich an der massenhaften Vermarktung seines berühmten Kuss-Bildes und anderer Bilder, bei denen er in ähnlich hemmungsloser Weise im goldgrund-ornamentalen Luxus schwelgt. (Auch die sind übrigens weniger banal, wenn man sie im Original vor sich sieht und nicht als schlechte Reproduktion an der Wand, als Regenschirm oder als Bettwäsche verhunzt...)
Es waren aber Bilder wie "Fritza Riedler" und ähnliche Porträts in der Belvedere-Galerie, die meine Einschätzung grundlegend geändert haben. Natürlich ist er ein Glamour-Künstler – nicht umsonst haben sich die Damen der High-Society im Wien um 1900 darum gerissen, von ihm porträtiert zu werden.
Und doch sind Klimts Porträts keinesfalls trivial. Die große kompositorische Strenge, der raffinierte Kontrast zwischen gefälligem Naturalismus und hohem Abstraktionsgrad und die experimentellen Brüche balancieren die Bilder wunderbar aus und geben ihnen Halt und Festigkeit...

 

Es gibt auch zu diesem Bild einen arte-Beitrag aus der Rubrik ""Allein im Museum", den ich unten einbette. Leider ist der Kollege etwas pedantisch und reiht bedauerlich viele Sinn-arme Kunsthistoriker-Floskeln vor sich hin, die wenig Erkenntnisgewinn bringen.
Aber man erfährt trotzdem einige interessante Einzelheiten und kann vor allem in gut gefilmter Nahsicht in die herrlichen Details eintauchen – deshalb ist der Beitrag (trotz allem) als Ergänzung sehenswert.