KUNSTgedankenBilderrätsel_61_Auflösung

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Man kennt andere Bilder des deutschen Malers viel besser.
Beliebt sind seine impressionistischen Gemälde und seine Porträts.

Ich aber mag dieses kleine Bild aus seiner früheren Periode besonders gerne.
Damals bekannte er sich noch zur Kunstrichtung des Realismus, der die "Kunstwürdigkeit" auch der ganz einfachen Menschen und ihrer Lebensumstände proklamierte.

Wie heißt die junge Dame aus eben diesem einfachen Volk, der in unserem Rätselbild ein Denkmal gesetzt wurde – und wer hat sie gemalt?

...die Auflösung des Rätsels gibt es am 17. Mai ab 00:00 Uhr

Max Liebermann "Eva" (1883) Kunsthalle Hamburg

Die gut gemalte Rübe ist besser als eine schlecht gemalte Madonna

Max Liebermann (1847 - 1935)

Die Zeit der Madonnenbilder war schon eine Weile vorüber, als Max Liebermann zu malen anfing. Der letzte Versuch, die zentralen Themen des Christentums noch einmal wiederzubeleben, war mit der "Frührenaissance-Renaissance" der religiös-schwärmerischen Nazarener Anfang des 19. Jahrhunderts kläglich und damit wohl endgültig gescheitert.
Doch auch gegen das oft hole Pathos, den schlüpfrigen Altherrengeschmack und die oberflächliche Virtuosität der beim neureichen Bürgertum so beliebten Salonmalerei opponierten die Künstlern und Künstlerinnen des REALISMUS.
Ihnen ging es um die ungeschönte und wahrhaftige Wiedergabe der Welt, so wie sie tatsächlich ist.

Das aber kann Unterschiedliches bedeuten:

Bei einem Porträt etwa sollte man nach dieser Forderung dem Modell nicht schmeicheln, indem man es idealisiert wiedergibt. Besonders darauf zielt wohl das kürzlich von mir auf dieser Seite eingestellte Zitat des wichtigen deutschen Maler des Realismus Wilhelm Leibl ab.

Die Landschaftsmaler des Realismus (etwa die Franzosen Courbet oder Daubigny) wiederum suchen sich keine idyllischen Traumlandschaften eines imaginierten Arkadien, keine Wasserfälle bei Tivoli und auch keine heroischen Alpengipfel als Motiv. Sie feiern die schlichte Schönheit einer Obstbaum-Wiese, eines einfachen Bachlaufs oder einer unspektakulären Welle, die an der Kanalküste der Normandie bricht.

links: Jean-Francois Millet "Der Mann mit der Hacke" (1861) – rechts: Max Liebermann "Die Netzflickerinnen" (1887)

Der wohl wichtigste Aspekt des Realismus hat weniger mit ästhetischen als vielmehr mit politisch-gesellschaftlichen Überzeugungen zu tun.
Über Jahrhunderte waren es neben den religiösen Sujets oder der mythologischen Welt der antiken Sagen vor allem die Schönen, Reichen und Mächtigen, die man thematisch für kunstwürdig erachtete. Immer und immer wieder wurden Madonnen und Heilige, Venus, Apollo und Nympflein in ungezählten Varianten und natürlich Monarchen und Feldherren hoch zu Ross dargestellt.

Wenn Maler nun plötzlich auch Menschen darstellen, die weit unten auf der Stufenleiter der gesellschaftlichen Hierarchie stehen und dies in teils monumentalen Formaten, die bis dahin dem Herrscherbild oder der Altartafel vorbehalten waren, ist das wirklich revolutionär – und passt damit ins Jahrhundert der französischen und der industriellen Revolutionen und der sich etablierenden Arbeiterbewegung. (Wobei interessanterweise relativ selten die Arbeiterschaft in den Industriestädten und mit Vorliebe das bäuerliche Landleben thematisiert wird, das ja im 19. Jahrhundert nach und nach an Bedeutung verliert. Müssen wir das als nostalgische Note im fortschrittlichen Denken begreifen?)

Liebermanns "Eva" entspringt also dieser Stilrichtung und diesem Geist. Es ist keineswegs ein besonders avantgardistisches Bild. Bereits seit gut 10 Jahren sorgt der lichtere und thematisch unbeschwertere Malerei des Impressionismus in Frankreich für Furore und drängt die Malerei des Realismus zurück.
Max Liebermann wird sich sehr bald von dieser neuen Malweise beeindrucken lassen und in Deutschland zu ihrem wichtigsten Protagonisten.

Ich aber würde all die getupften Ruderbootfahrten und die lichtflirrenden Kaffeeterrassen oder Biergärten sofort stehen und liegen lassen, wenn ich dafür das Bild aus der Hamburger Kunsthalle haben dürfte – Eva, die Anti-Prinzessin, an der so gar nichts idealschön, die aber so großartig beobachtet und wunderbar einfühlsam wiedergegeben ist...