KUNSTgedankenBilderrätsel_60_Auflösung

← Zurück

Ernst blickt sie uns aus dem Bild entgegen.

Schonungslos ist sie wiedergegeben.

Man sieht sofort, dass hier nicht der Versuch unternommen wurde, in irgendeiner Weise zu idealisieren – typisch für die kunsthistorische Epoche und die Stilrichtung (die ihren Schwerpunkt in Deutschland hatte), in die das Bild einzuordnen ist.

Intensiv ist der Blick, der uns angespannt fokussiert.

Das und die zur "Schnute" zusammengezogene Mundpartie sprechen von höchster Konzentration – eher ungewöhnlich für eine Maler-und-Modell-Situation. Vielleicht ist es gar keine – was ist es dann?

...die Auflösung des Rätsels gibt es am 10. Mai ab 00:00 Uhr


Elfriede Lohse-Wächtler "Selbstbildnis" (1931) Kunsthalle Hamburg

Sie wurde nur 41 Jahre alt.
Am 31. Juli 1940 wurde die 1899 geborene Malerin Elfriede Lohse-Wächtler von den Nationalsozialisten ermordet.
Drei Jahre zuvor wurden im Rahmen der Aktion "Entartete Kunst" zahlreiche ihrer Werke beschlagnahmt und teilweise zerstört. Dieses Schicksal teilt sie mit zahlreichen avantgardistischen Künstler*innen jener finsteren Zeit.
Der Grund für ihre Ermordung hatte allerdings nicht viel mit ihren künstlerischen Ansichten zu tun. Sie zählte (anders etwa als ihr wenige Jahre ältere Generationsgenosse George Grosz) nicht zum explizit politisch engagierten Teil jener Kunstbewegung, die unter dem Etikett "Neue Sachlichkeit" zusammengefasst und zu der die Malerin gerechnet wird.

Elfriede Lohse-Wächtler "Lissy" (1931), Dauerleigabe aus Privatbesitz im Städel-Museum Frankfurt

Das Aquarell "Lissy" ist das vermutlich bekannteste Werk der Malerin –  ein typisches Motiv jener Zeit. Es zeigt eine Prostituierte in einem Bordell auf Sankt Pauli. Max Beckmann oder Otto Dix und viele Andere mehr haben solch provokante Themen gemalt. Insofern ist es nicht besonders originell. Aber man muss betonen: Elfriede Lohse-Wächters Zeichenkunst ist unbedingt auf der Höhe dieser beiden bedeutenden Künstler einzuordnen.
Und doch ist ihr Name weit weniger bekannt. Woran liegt das nur?

Elfriede Lohse-Wächtler: Portrait-Aufnahme vor dem Kachelofen (um 1928)

Foto aus dem Nachlass von E. L.-W. / CC BY-SA 2.0 (via WikiCommons)

Nun, bekanntlich hatten Frauen auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch einen sehr schweren Stand, wenn sie sich als Künstlerinnen durchsetzen wollten. Dabei gibt es gerade in dieser Zeit in Deutschland einige hervorragende Malerinnen. Gesellschaftliche Themen wie Emanzipation oder auch die Akzeptanz von Homosexualität und viele andere Fragen mehr, mit denen ein konservativ-bürgerliches Weltbild aufgerüttelt werden sollte, gehörten zum Kern der "Neuen Sachlichkeit". Es ist naheliegend, dass gerade auch Frauen hier ihre künstlerische Sprache fanden.

Der Grund für die relative Unbekanntheit Elfriede Lohse-Wächtlers liegt in ihrem tragischen Schicksal. Als junge Frau kämpfte sie nicht nur mit den materiellen Schwierigkeiten einer jungen künstlerischen Karriere, sondern auch mit einer höchst komplizierten Ehe. Nach mehreren Trennungen erleidet sie 1929 einen schweren Nervenzusammenbruch von dem sie sich in den Folgejahren nie mehr richtig erholt.
1932 wird sie schließlich in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen und es wurde "Schizophrenie" diagnostiziert. 1935 lässt ihr Vater sie für unmündig erklären.
Auch in normalen Zeiten wäre so etwas ein äußerst tragisches Schicksal. Zu jener Zeit aber ist es ein verheerendes. Die herrschenden Nationalsozialisten betrachteten "Geisteskranke" ebenso wie Menschen mit Behinderung als "unwertes Leben".
Nachdem Lohse-Wächtler zunächst zwangssterilisiert wurde, verlegte man sie 1940 in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein. Diese Institution war nichts anderes als eine grausame Tötungsanstalt in der die Nazis ihre unmenschliche Euthanasie Aktion "T4" umsetzten. Mehr als 13 700 Menschen wurden in den Jahren 1940 /41 an diesem Ort umgebracht. Elfriede Lohse-Wächtler war eine von ihnen.

Elfriede Lohse-Wächtler "Die Blumenalte" (1930), Privatbesitz Hamburg